Inklusion im Betrieb neu gedacht
„Man kann seine Mitarbeiter doch nicht selbst backen“, mögen so manche Arbeitgebende denken beim Blick auf die eingehenden Bewerbungen für ausgeschriebene Arbeitsstellen. Auch wenn dies im wörtlichen Sinne stimmt und die Bewerbersuche einige Unternehmen vor echte Herausforderungen stellt, gibt es einen Ansatz, um sich Stellen zu „schnitzen“. Das so genannte Job-Carving (engl. „to carve“: „schnitzen“) lädt zum Umdenken ein und hilft, dem Arbeits- und Fachkräftemangel konstruktiv zu begegnen.
Aus Arbeitgebersicht ist es schwer, einen Arbeitsplatz mit Menschen mit Behinderung zu besetzen. Es bestehen Vorurteile über die Leistungsfähigkeit, Berührungsängste und bürokratische Hürden, die vermeintlich eine erfolgreiche betrieblichen Inklusion verhindern. Tatsächlich ist auch nicht jede Stelle für jede Behinderungsart gleichermaßen geeignet. Menschen mit so genannten Lernschwierigkeiten haben es dabei oft besonders schwer. In klassischen Stellenprofilen werden oft hohe Anforderungen formuliert: Neben den Kernkompetenzen bezogen auf ein bestimmtes Tätigkeitsfeld, erwarten Arbeitgebende formale Qualifikationen und Eigenschaften wie Flexibilität und Belastbarkeit. Außerdem werden Fähigkeiten zur Übernahme von fachfremden Aufgaben vorausgesetzt. Hohe Erwartungen an Selbständigkeit, Selbstorganisation und Vorerfahrungen kommen hinzu.
Auch die erwartete Präsenz am Arbeitsplatz und lange Arbeitszeiten können für diese Zielgruppe zum Problem werden. Gleichzeitig erscheint es tatsächlich auch fraglich, ob beispielsweise für die Arbeit als Pförtner eine kaufmännische Ausbildung wirklich gebraucht wird. Genau hier setzt das Job-Carving an.
Job-Carving – Stellenprofile neu definieren
Tätigkeiten und nicht Berufe sind die Grundlage für das Schnitzen neuartiger Stellenprofile, dem Ansatz des Job-Carvings: In Jedem Job gibt es Aufgaben, die den Arbeitsfluss des Fachpersonals stören, auch ohne formale Qualifikation ausgeführt werden können oder nach Anleitung erlernbar sind.
Job-Carving will zum Umdenken anregen: Bestimmte Aufgaben werden aus dem bisherigen Aufgabenprofil herausgelöst. Die Tätigkeiten werden im Unternehmen umgeschichtet, damit das Fachpersonal einerseits den Fokus auf die Kernaufgaben legen kann und andererseits Stellen auf die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderung zugeschnitten werden können. Wichtig ist, dass Fähigkeiten und Anforderungen genau erfasst und aufeinander abgestimmt werden. „Die zugeschneiderte Arbeitsstelle wird den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und Erfahrungen des Menschen entsprechend geschaffen und nicht der passende Mensch für die Arbeitsstelle gesucht“, heißt es dazu auf dem Informationsportal Jobinklusive.org zum Thema Job-Carving.
Wird der Fokus auf die Ressourcen der jeweiligen Mitarbeiter gelegt, kann es im BEM-Verfahren (Betriebliches Eingliederungsmanagement) gelingen, geschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nach längerer Erkrankung, unter Anpassung der Arbeitsstelle, im Betrieb zu halten. Dies zeigen auch die Beispiele der Firma August Faller GmbH & Co. KG aus der Publikation „ZB Behinderung&Beruf (2/2023)“ der BIH. Das Job-Carving wird dabei ergänzt durch weitere Hilfen des Integrationsamtes und des Integrationsfachdienstes.
Job-Carving in meinem Betrieb umsetzen – aber wie?
Das Job-Carving im eigenen Unternehmen zu etablieren, ist einfacher als gedacht, es erfordert aber ein Umdenken. Dabei helfen speziell geschulte Jobcoaches, die Stellenprofile im Unternehmen analysieren und Aufgabenbereiche durchleuchten. Eine erste Orientierungsberatung erhalten interessierte Unternehmen bei ihrer regionalen EAA. Die Fachberater/innen helfen auch gerne mit entsprechenden Kontakten weiter.